Es wird Zeit für einen wunderbar kitschigen Liebesroman
Hallo du da, hier spricht Hannah!
Seit Jahren schreibe ich nun - in den Hannah-Büchern - autobiografisch. Das hat mir bislang eine Menge Spaß gemacht und wird es wohl auch weiter tun. Doch allmählich wird es Zeit für etwas anderes. Seit einigen Wochen arbeite ich, übrigens nicht zum ersten Mal in meinem Leben, an einem Liebesroman. Die ersten Versuche schlummern in der Schublade vor sich hin, dieser aber wird das Licht der Welt erblicken. Ich spüre das. Schließlich bin ich inzwischen eine erfahrene Schriftstellerin.
Möchtet ihr wissen, wie der Roman beginnt? Okay, dann kommt hier eine Kostprobe. Bin gespannt, ob sie euch gefällt.
*
„Ariane?! Nun komm doch mal. Schnell! Gleich spielt er!“
„Wer spielt?“ Ariane erhob ihre Stimme und dehnte sie zugleich stärker als bisher. So würde Mama sie drüben im Salon hören und gleichzeitig spüren können, dass Ariane allmählich keine Lust mehr hatte. Keine Lust, noch immer zu gehorchen und das zu tun, was von ihr erwartet wurde. Noch viel lieber hätte sie gar nicht reagiert. Zum einen aus Prinzip, zum anderen weil sie gestern Abend ihre Eltern belauscht hatte. Ihr war klar, dass das einer fast Fündundzwanzigjährigen unwürdig war, und nicht nur deshalb wünschte, es nicht getan zu haben. Die Neuigkeiten. offiziell offenbar noch ein Geheimnis, hatten sie umgehauen und sie hatte derbe schlechte geschlafen.
„Lazlo spielt“, brüllte Luise nun so laut ihre eher sanfte Stimme es erlaubte. Und sie machte es ihrer Tochter nach. Sie dehnte die beiden Worte so lang, dass sie genügend Zeit hatten sich zu entfalten. Ariane kannte das. Eines dieser kleinen Machtspielchen, die Spaß machen konnten aber nicht mussten. „Beeil dich“, schob Luise hinterher. offenbar nicht ohne Grund. Eine halbe Minute später perlten bereits die ersten Klänge der Mondschein-Sonate herüber. Ariane, die mit ihrem Bruder Victor, der gelangweilt mit einem Zahnstocher in seinen Zähnen herumpulte, im Frühstückszimmer saß, seufzte tief. Je näher sie der Vollendung ihres ersten Lebensvierteljahrhunderts entgegenrückte, desto schwieriger fand sie es, ihr Leben weiterhin so anzunehmen, wie es sich gerade nun einmal darstellte. Maximal fremdbestimmt nämlich und damit schmerzlich begrenzt. Mit fremdbestimmt meinte Ariane nicht nur ihre Eltern mitsamt all ihren Erwartungen und ihrer Wertschätzung der familiären Traditionen. Sie meinte auch ihre eigenen inneren Anteile, nicht wenig geeignet zur Selbstsabotage. ihre Gefühle und Sollvorstellungen und nicht zuletzt ihre romantischen Träume vom Traumprinzen, der sich einfach nicht einstellen wollte. Die Schuldgefühle ihrer Mutter gegenüber seit deren folgenreichem Sturz standen ihren Sehnsuchtsgefühlen an Intensität in nichts nach. Wie hätte sie sich da so frei und unabhängig fühlen können, wie sie es sich wünschte ...
„Du solltest besser rübergehen“, sagte Victor und legte den Zahnstocher auf seinen Teller. „Es scheint ihr mal wieder wichtig zu sein.“
Tatsächlich hatte Ariane mindestens drei Ausrufezeichen in Luises wenigen Worten gehört. Gepaart mit vorauseilender Ungeduld sozusagen. Wäre Mama nicht so schlecht zu Fuß, würde sie jetzt kommen und mich an den Haaren in den Salon zerren, dachte Ariane, obwohl sie genau wusste, dass das übertrieben war. Ihr Blick fiel neidvoll auf Victor, den Mama weitgehend in Ruhe ließ. Er hatte es geschafft, sie zweifelsfrei spüren zu lassen, dass er entschlossen war, sein eigenes Ding zu machen. Das sah er als sein Geburtsrecht an. Nach einer Ehrenrunde in der achten Klasse, die er mit charmanter Würde hinter sich gebracht hatte, stand er mit seinen zwanzig Jahren nun wegen trotz seiner Faulheit inzwischen akzeptablen Leistungen kurz vor dem Abitur. Danach gedachte er, eine Weile durch die Welt zu reisen und sich mit kleinen Jobs über Wasser zu halten. „Ich bin volljährig“, hatte er wissen lassen. „Ich darf tun, was ich will. Sorry, ihr Lieben, aber ihr werdet mich nicht hindern.“ Woher hat er nur dieses Selbstbewusstsein? Und wo ist meines bloß geblieben? Außer mir spurt doch hier niemand, nicht einmal Papa. Wieso also ich? ...
So weit erst einmal. Herzlich grüßt dich
Deine Ruth-Rebecca
Kommentare
Kommentar veröffentlichen