Dachbodenfund - Dachbodenfund - ein altes Tagebuch und warum du deine Lebensgeschichte aufschreiben solltest

Gerade habe ich im Rahmen einer gründlichen, noch nicht ganz abgeschlossenen Überarbeitung ein neues Kapitel eingefügt in Band 1 von "Reif. Ehrlich. Mutig." - meiner großen Ratgeber-Reihe rund ums autobiografische Reihe. Ich möchte meinen geneigten Lesern und Leserinnen damit zeigen, wie bedeutsam es sein kann, das eigene Leben aufzuschreiben. Wie gefällt euch das Kapitel? Berührt es euer Herz? Hier ist es:

 

Dach. Boden. Fund.

Stell dir einmal folgende Geschichte vor: Die 17-jährige Linda, hübsch, klug und kreativ, lebt mit ihren Eltern und Geschwistern in dem alten Bauernhaus, in dem schon ihre Urgroßmutter gelebt hat.  Eines Tages, ihre Familie ist ausgeflogen, da steigt sie auf den geräumigen Dachboden, um nach dem Rucksack zu suchen, den sie mit auf ihre Klassenreise nehmen will. Gleich neben der Tür, zwischen verstaubten Kisten und ausgedienten Spielsachen, ist er schnell gefunden. Linda hängt sich den Rucksack über der Schulter und will schon gehen. Doch dnn lässt sie noch kurz die Blicke durch den Raum schweifen. Da sind so viele Dinge, die niemand mehr braucht. Kurz streicht sie ihrer alten Puppe übers struppige Haar, fährt mit dem Finger über die eingestauben Möbel in ihrem einst so geliebten Puppenhaus. Sie spürt selbst, wie wehmütig ihr Lächeln gerade ist. Wie schön wäre es, jetzt noch einmal in die Vergangenheit zu reisen, denkt sie. Nur ganz kurz. 
In diesem Moment fällt ein Sonnenstrahl durch eine der Fensterluken in den Raum und lenkt ihren Blick unvermutet auf etwas, was zwischen einem Dachbalken und einer Schindel eingeklemmt steckt: ein dickes, in Leder gebundenes Buch. Nie zuvor hat sie es gesehen. Niemals hatte jemand davon erzählt.
Vorsichtig zieht sie es heraus. Es wirkt wie handgemacht. Das Leder ist brüchig. Die Seiten sind vergilbt. Sie blättert ein wenig. Altdeutsche Schrift in akkuraten Buchstaben. Dahingeworfene Bleistiftzeichnungen, die eindeutig eine künstlerische Begabung erkennen lassen. Auf der ersten Seite steht in verblasster Tintenschrift ein Name: Agathe Kornmüller.  Linda ist fasziniert. Gerade erst hat sie diesen Namen auf dem Ausdruck gelesen, den ihre Mutter, die sich neuerdings für Ahnenforschung interessiert, auf ihrem Schreibtisch liegen hat. 
Neugierig eilt Linda nach unten, den Bücherfund fest in der Hand. Sie findet den Ausdruck und sucht nach Agathe. Da ist sie. 1899 in Berlin geboren, ihre Ururgroßmutter mütterlicherseits. Hausfrau. Verheiratet mit Friedrich Kornmüller, Schlachtermeister. Fünf Kinder, fünf Namen, Geburts- und Sterbedaten. Mehr steht da nicht. Aber jetzt kann ich ja viel mehr erfahren, denkt Linda. Nun habe ich ihr Tagebuch. Wie aufregend ...! 
Sie läuft in ihr Zimmer, wirft den Rucksack achtlos in die Ecke, lässt sich aufs Bett fallen und schlägt die erste Seite auf. Ihr ist, als hätte Agathe ihr mit ihrem Buch einen langen, langen Brief geschrieben, nur für sie bestimmt. Stockend beginnt Linda zu lesen. Die altdeutsche Schrift ist mühsam zu entziffern. Doch sie will unbedingt wissen, was da steht. Und so werden die Buchstaben ihr immer vertrauter, während es draußen allmählich dunkel wird. Und sie begegnet Agathe, die ihr mit jeder Zeile näherkommt, ihr immer lieber und vertrauter wird. Fast, als würde sie noch leben  ... 
Ein Schlüssel im Schloss, Stimmen in der Diele. Linda zuckt zusammen.  Ihre Familie ist zurück. Blinzelnd wirft sie einen Blick auf ihr Handy. Stunden sind vergangen, doch noch längst hat sie nicht alles gelesen. Schnell und mit wild klopfendem Herzen schiebt sie das Buch unter ihr Kopfkissen. Das hier muss mein Geheimnis bleiben, denkt sie. Erst wenn ich alles gelesen, wenn ich jedes Wort und jede Zeichnung wirklich verstanden habe, werde ich den anderen von dieser Botschaft aus einer anderen Zeit erzählen. Von Ururomas Tagebuch. 

*


Stell dir vor, du würdest so einen Dachbodenfund machen. Würdest du das Buch einfach wieder zurückstecken? Würdest du es zum Altpapier geben, weil so ein alter Kram doch längst nicht mehr zählt? Oder wärest du wie Linda glücklich und aufgeregt, weil du unerwartet eine solche Kostbarkeit gefunden hast?
Und dann stell dir vor, du könntest den Nachkommen, die du kennst, und denen, die erst noch kommen werden, all das erzählen, was dich ausgemacht hast, was dir wichtig gewesen ist. Wäre das nicht wunderbar  – für dich und für die, die nach dir kommen?

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Dach. Boden. Funde. Unter dem Dach deines Lebens gibt es so viele Erinnerungen, die im Halbschatten verborgen liegen. Hole sie jetzt ans Tageslicht und schreibe darüber. Kreativ und doch mit beiden Füßen fest auf dem Boden stehend, so siehst du dir dein Leben an – mutig, klar und ehrlich. Hüte die Funde, die du machen wirst auf dieser Schreibreise. Es sind Schätze – wertvoll genug, um sie für jene zu bewahren, die vielleicht erst geboren werden, wenn du längst auf einer wunderschönen Wolke sitzt. Wenn du von oben die Erde mit den Menschen betrachtest, die du liebst. Wenn du ihnen zusiehst, wie sie das lesen, was du für sie geschrieben hast. Deine Lebensgeschichte, deine Worte, deine Spuren.

Einladung: Stell dir nun deine noch ungeborene Ururenkelin vor. Sieh sie in einem Alter, das dir in diesem Moment stimmig erscheint – vielleicht als neugieriges Kind, als junge Erwachsene oder mitten im eigenen Leben. Wenn du ihr etwas aus deinem Leben erzählen würdest, mit welchen Worten, mit welcher Geschichte würdest du spontan beginnen?

Schreib hier die ersten Sätze:

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Herzlich grüßt dich

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